Aktiviertes Tränkwasser -höhere Leistung?
Welche Auswirkungen elektro-aktiviertes Tränkwasser auf die Leistung von Ferkeln haben kann, untersuchten Dr. Wolfgang Sommer und Josef Bunge von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in einem westfälischen Ferkelerzeugerbetrieb. Hygienisch einwandfreies Tränkwasser ist Grundvoraussetzung für Gesundheit und Leistung von landwirtschaftlichen Nutztieren, ganz besonders von Jungtieren in der Ferkelaufzucht. Tränkwasser soll stets schmackhaft und verträglich sein. Erhöhte Keimbelastungen des Wassers können zu Verdauungsstörungen, Durchfallproblemen, damit zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen führen. Ursachen sind häufig verunreinigtes Brunnenwasser, unsaubere Vorratsbehälter oder keimhaltige Wasserleitungen. Eine Leitlinie des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) von 2007 enthält Vorgaben, wie hygienisch einwandfreies Tränkwasser beschaffen sein sollte. Hierbei handelt es sich um einen Orientierungsrahmen zur futtermittelrechtlichen Beurteilung der hygienischen Qualität des Tränkwassers im Zusammenhang mit der Futtermittelhygieneverordnung. Diese Orientierungswerte sind in Tabelle 1 aufgeführt. Untersuchen lassen kann man die einzelnen Merkmale bei der LUFA NRW in Münster. Der Orientierungsrahmen enthält des Weiteren Vorgaben zu den chemischen und physikalischchemischen Qualitätskriterien von Tränkwasser, die ebenfalls zu beachten sind. Hierauf wird aber in diesem Beitrag nicht näher eingegangen. Um die biologische Tränkwasserqualität auf den geforderten Standard zu bringen, müssen geeignete bauliche, technische oder auch organisatorische Maßnahmen im Betrieb getroffen werden. Unter anderem bewährt haben sich verschiedene desinfizierende Wasserzusätze wie organische Säuren oder Chlordioxid. Eine andere Möglichkeit zur Verbesserung der Tränkwasserqualität wird in Form einer speziellen elektrochemischen Aktivierung des Wassers empfohlen. Die dafür notwendige Technik und das Verfahren wird von der UEG Hohenlohe-Franken in Süddeutschland unter der Bezeichnung „ Envirolyte" vertrieben. Bei dieser Wasseraufbereitung wird Leitungswasser mit einer Kochsalzlösung gemischt und in kleinen Titan-Reaktoren mit einer Anoden-und einer Kathodenkammer, die durch ein spezielles Diaphragma voneinander getrennt sind, elektrochemisch behandelt. Bei dieser Technologie entstehen zwei unterschiedliche, sich in ihrer Wirkung gegenseitig ergänzende Lösungen, bezeichnet als Anolyte-und Katholyte-Lösung. Die Anolyte-Lösung besitzt ein hohes Redoxpotential, das heißt die Fähigkeit, alle schädlichen Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, und Pilze abzutöten. Innerhalb des Versuches wurde eine Besonderheit der elektro-chemischen Aktivierung verwendet - sog. „neutrales Anolyte". Hierbei werden kalkfreies Wasser und eine vollgesättigte Salzsole nur der Kathodenkammer zugeführt und darauf folgend durch die Anodenkammer geleitet. Die Gewinnung von Katholyt als alkalische Komponente aus dem Prozess wird hierbei nur optional vorgenommen. Neutrales Anolyte als schwachchlorige Lösung zeichnet sich v. a. durch einen mittleren pH-Wert (7,5 bis 8,5 pH) und dem Hauptwirkstoff hyperchlorige Säure mit einem Redox-Potential zwischen 780 und 900 mV aus, das mit einer einfachen Stromspannungsmessung erfasst werden kann. Bei Trockenfutter wird ein Zusatz von 3 bis 5 % im Tränkwasser, bei Flüssigfutter ein Zusatz von 6 bis 8 % im Mischwasser empfohlen. Diese Tränkwasserergänzung soll nach Angabe der Firma eine Entfernung von Biofilmen in Wasserleitungen und eine Eliminierung von Keimen im Tränkwasser bewirken und damit letztendlich zu Steigerungen der tierischen Leistungen führen. Um Technik, Effizienz und Wirtschaftlichkeit dieses Verfahrens der elektrochemischen Aktivierung von Tränkwasser unter Praxisbedingungen zu prüfen, hat die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen entsprechende Untersuchungen in einem westfälischen Ferkelerzeugerbetrieb in der Zeit von Herbst 2006 bis Juni 2007 in mehreren Wiederholungen durchgeführt. Dazu wurde auf einem Betrieb mit 200 DL x DE Sauen das Envirolyte-Gerät el-900 mit einer einfachen Wandmontage installiert. Dem Gerät wurde Leitungswasser und eine Salzlösung aus einem Behälter zugeführt. Die im Gerät erzeugte desinfizierende Anolytelösung wurde in einem zweiten Behälter gesammelt und dann mit einer stromunabhängigen selbstansaugenden Dosierpumpe über eine Bypassleitung in einer Dosierung von 5 % dem Tränkwasser in den Versuchsabteilen zudosiert. Der Stromverbrauch der Envirolyte-Anlage und die Stromkosten wurden in diesem Versuch nicht ermittelt. Die Untersuchungen betrafen die Ferkelaufzucht. Die Ferkel erhielten nach dem Absetzen jeweils in parallelen Gruppen Tränkwasser mit und ohne neutralem Anolyte-Zusatz. Bei den mikrobiologischen Untersuchungen sind die Einzelergebnisse und bei den physikalisch-chemischen Untersuchungen sind die durchschnittlichen Ergebnisse der Proben aufgeführt, da hier die Spannweite der Einzelwerte nur gering war. Die Keimbelastung des Ausgangstränkwassers schwankt erheblich von Probe zu Probe. Dies war zu erwarten und wurde auch in anderen Tränkwasseruntersuchungen immer wieder beobachtet. Bedenklich hohe Werte trafen nur in der Probe 2 auf. Die Wirksamkeit von Anolyte konnte in allen 4 Proben beeindruckend deutlich nachgewiesen werden. In allen Parametern sank die Keimbelastung auf Null. Lediglich in Probe 7 des Versuchstränkwassers hatten sich bei der Koloniezahl bei 36°C zwei koloniebildende Einheiten (KBE) verirrt. Die physikalischchemischen Untersuchungen dienten zur Überprüfung des Anolyteeinsatzes mit neutralem pH-Wert. Die desinfizierenden Eigenschaften beruhen besonders auf der vorübergehenden Entstehung von Chloridionen und von freiem Chlor. Diese Inhaltsstoffe werden durch sogenannte Redox-Reaktionen in dem Reaktor der Envirolyte-Anlage aktiviert. Ihr Redoxpotenzial, also die Bereitschaft mit z. B. Keimen zu reagieren, ist höher und aktiver und kann mit einer einfachen Stromspannungsmessung erfasst werden. Mit 1029 mV lag das Redoxpotenzial des Tränkwassers mit 5 % Anolytezusatz rund doppelt so hoch wie das des Ausgangswassers mit 548 mV. Auch die Werte bei der Leitfähigkeit und bei den Gehalten an Chlorid und an freiem Chlor zeigten deutliche Unterschiede zwischen dem Ausgangs-und Versuchstränkwasser. Wie sich die verbesserte Wasserqualität auf die Leistungen der Aufzuchtferkel auswirkte, zeigen die Ergebnisse in Tabelle 3. Die Kontrollgruppen erhielten unbehandeltes Tränkwasser, in den Versuchsgruppen wurde dem Wasser 5 % neutrales Anolyte mit einem pH-Wert von 7,2 zudosiert. Die Fütterungs-und Stalltechnik war jeweils in beiden Gruppen identisch. Mit Hilfe eingebauter Wasseruhren ermittelte der Landwirt die verbrauchten Wassermengen. Die Ferkel wurden am 25. Lebenstag abgesetzt und verblieben noch ca. 4 - 5 Tage in der Abferkelbucht. Danach wurden sie mit ca. 7,5 kg in einen Flatdeckstall umgestallt und in Gruppengrößen von ca. 150 Ferkeln aufgezogen. Die Ferkel gingen überwiegend in die eigene Mast. Aufgrund von Kapazitätsengpässen kann das Ausstallgewicht ca. zwischen 29 - 38 kg schwanken. Die Fütterung an Breiautomaten erfolgte zweiphasig. Zunächst erhielten die Ferkel ein Fertigfutter, ab ca. 15 kg LG wurde eine Eigenmischung aus Sojaschrot, Mineralfutter und Getreide eingesetzt. Die Leistungen bewegten sich auf hohem Niveau und die Verlustquote lag unter 2,5 %. Dennoch konnten die Versuchsferkel ihre Tageszunahmen noch leicht um durchschnittlich 17 g verbessern auf 485 g im Bereich von 7 bis 33 kg. Bei beginnendem Husten wurde die Stallluft der Versuchsferkel mit einem Gemisch aus Wasser und neutralem Anolyte im Verhältnis 70:30 vernebelt. Dabei kam das Vernebelungsgerät über einen Zeitraum von ca. 5 Tagen einmal pro Tag für ca. 30 Minuten zum Einsatz. Nach Beobachtung des Landwirtes erfolgte bei den Versuchsferkeln eine schnellere Gesundung. Die Verlustquote wurde mehr als halbiert und sank auf 0,9 %. Berichte anderer Praxisuntersuchungen von spürbar höherem Wasserverbrauch der Ferkel bei Anolyteeinsatz konnte in diesem Versuch nicht bestätigt werden. Möglicherweise wirkte der hohe Gehalt von über 5 mg freiem Chlor pro Liter im Tränkwasser der Versuchsferkel bereits als leichte Verzehrsbremse. Trotz der hervorragenden Tränkwasserqulität konnte der Anolyteeinsatz einen massiven E.Coli-Einbruch bei den Versuchsferkeln nicht verhindern. Offensichtlich ist verkeimtes Tränkwasser nicht allein die Ursache für E.Coli-bedingte Durchfallerkrankungen. Weitere wichtige Einflussfaktoren sind auch weiterhin z.B. Futterqualität und Futterzusammensetzung. Was festzuhalten bleibt: Schweine, insbesondere Ferkel, brauchen qualitativ hochwertiges und keimfreies Tränkwasser für hohe biologische Leistungen und einen stabilen Gesundheitsstatus. Die Zugabe von neutralem Anolyte bewirkte beim Tränkwasser eine Top-Qualität. Die Tageszunahmen haben sich in diesem Praxisversuch dadurch leicht verbessert. Da neben Tränkwasser auch andere Faktoren eine große Rolle spielen, kann im Einzelfall das Ergebnis sehr unterschiedlich ausfallen. Es ist nicht zu erwarten, dass Anolyte-Zusätze zum Tränkwasser E.-Coli-Einbrüche verhindern können. Die Anwendung von Anolyte-Lösungen zur Hygienisierung von Trinkwasser ist nach § 11 der TrinkVO und der Liste des Bundesumweltamtes unter „Elektrolytische Herstellung von Chlor vor Ort" seit November 2006 zugelassen. Die Envirolyte-Anlage ist nicht ganz wartungsfrei. Besonders bei sehr hartem Wasser muss man die Funktionstüchtigkeit im Blickpunkt behalten. Neben dem Kauf einer Anlage besteht die Möglichkeit der Leasing-Finanzierung. Von: Dr. Wolfgang Sommer, Josef Bunge, 29.11.2007 (in Auszügen) nach oben zurück |