Orientierungsrahmen zur futtermittelrechtlichen Beurteilung der hygienischen Qualität von Tränkwasser (Stand vom 25.5.2007) 1. Einleitung Neben der Versorgung mit Energie und essentiellen Nährstoffen ist die Bereitstellung ausreichender Wassermengen (2-5 l je kg Trockensubstanzaufnahme in Abhängigkeit von Tierart, Nutzungsrichtung, Leistungshöhe, Fütterung, Witterung u. a. Faktoren) in geeigneter Qualität eine entscheidende Voraussetzung für Gesundheit und Leistung der Nutztiere. Dafür trägt der Tierhalter die alleinige Verantwortung. Wasser kann somit als der bedeutendste Nährstoff oder das wichtigste Futtermittel angesehen werden. Wasser hat u. a. entscheidende Bedeutung für die Aufrechterhaltung des Zellturgors, den Ablauf von Verdauungsprozessen, den Nährstofftransport, die Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen und die Thermoregulation der Tiere. Folgen ungenügender Wasserbereitstellung sind z. B. verminderte Futteraufnahme und daraus resultierend geringere Leistungen, erhöhte Krankheitsanfälligkeit oder Inaktivität der Tiere. Auch ein Transfer unerwünschter Stoffe aus dem Tränkwasser in Lebensmittel tierischer Herkunft ist möglich. Ziel dieses Orientierungsrahmens zur futtermittelrechtlichen Beurteilung der hygienischen Qualität von Tränkwasser ist es, die wesentlichen Anforderungen an die hygienische Qualität von Tränkwasser zusammenzustellen und zu beschreiben, um den Tierhalter zu unterstützen, seinen Pflichten in Bezug auf die Futtermittelhygiene nachzukommen. Der Orientierungsrahmen wurde im Auftrag des BMELV von R. Böhm, G. Flachowsky, J. Kamphues, M. Lahrssen-Wiederholt, U. Meyer und H. Schenkel ausgearbeitet und mit den Futtermittelüberwachungsbehörden der Länder sowie den betroffenen landwirtschaftlichen Organisationen und Wirtschaftsverbänden abgestimmt. Details können in der Veröffentlichung „Empfehlungen zur futtermittelrechtlichen Beurteilung der hygienischen Qualität von Tränkwasser (Kamphues et al. 2007) nachgelesen werden. 2. Rechtliche Rahmenbedingungen Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 28. Januar 2002 (sog. Basisverordnung) legt die Rahmenbedingungen zur Gewährleistung der Lebensmittel-und Futtermittelsicherheit fest. Futtermittel werden in der Basisverordnung als Stoffe oder Erzeugnisse, auch Zusatzstoffe, verarbeitet, teilweise verarbeitet oder unverarbeitet, die zur Tierfütterung bestimmt sind, definiert. Damit ist Tränkwasser EG-rechtlich in den Futtermittelbegriff eingebunden. Diese Definition wurde in das Gesetz zur Neuordnung des Lebensmittel-und Futtermittelrechts vom 1. September 2005 übernommen. Zur Unterstützung der in der Basisverordnung niedergelegten Schutzziele wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Januar 2005 ein Regelwerk mit Vorschriften für die Futtermittelhygiene (Futtermittelhygiene-Verordnung) geschaffen. In der Futtermittelhygiene-Verordnung, die seit dem 01.01.2006 anzuwenden ist, werden unter anderem spezifische Pflichten für Landwirte bzw. Tierhalter festgeschrieben, die diese bei der Fütterung von zur Lebensmittelgewinnung bestimmten Tieren zu erfüllen haben. Die entsprechenden Bestimmungen finden sich im Anhang III „Gute Fütterungspraxis" im Abschnitt „Futtermittel und Wasser" der Futtermittelhygiene-Verordnung. Danach muss Tränkwasser so beschaffen sein, dass es für die betreffenden Tiere „geeignet" ist. Darüber hinaus müssen „Tränkanlagen ...so konstruiert, gebaut und angebracht werden, dass eine Kontamination ...des Wassers auf ein Mindestmaß begrenzt wird. Tränksysteme müssen, sofern möglich, regelmäßig gereinigt und instand gehalten werden." Die in der Trinkwasserverordnung (TWVO über die Qualität von Wasser für den menschlichen Verbrauch vom 21. Mai 2001) formulierten Anforderungen auf Tränkwasser zu übertragen, wird für nicht angemessen gehalten (u. a. wegen der Bedeutung der betriebseigenen Wasserversorgung in der Nutztierhaltung) und auch für sachlich nicht begründet bzw. erforderlich angesehen, da Überschreitungen von Grenzwerten der Trinkwasserverordnung nicht generell nachteilige Effekte auf das Tier bzw. davon gewonnene Lebensmittel haben und zudem einige Kriterien lediglich aus technischen Gründen festgelegt worden sind. 3. Tränkwasserqualität Während Trinkwasser für den Menschen den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entsprechen muss, gibt es für das bei Tieren verwandte Tränkwasser gegenwärtig keine vergleichbaren detaillierten rechtlichen Anforderungen. Der Gesetzgeber beschränkt sich in den einschlägigen Rechtsvorschriften (z. B. Basisverordnung, Futtermittelhygiene-Verordnung, Lebensmittel-und Futtermittelgesetzbuch) auf allgemein formulierte Sicherheitsanforderungen. Die in der Futtermittelhygiene-Verordnung (Anhang III) geforderte Geeignetheit des Tränkwassers könnte durch die Anforderungen in Tabelle 1 charakterisiert werden. Tabelle 1: Charakterisierung eines für die Versorgung von Lebensmittel liefernden Tieren „geeigneten" Wassers (= Tränkwasser) Anforderungen 1) | Erläuterung / Bedeutung | Schmackhaftigkeit | Voraussetzung für eine ausreichende Wasseraufnahme (= Voraussetzung für adäquate Trockensubstanz-Aufnahme) | Verträglichkeit | Inhaltsstoffe und/oder unerwünschte Stoffe nur in einer für die Tiere bzw. die von ihnen gewonnenen Lebensmittel nicht schädlichen bzw. nachteiligen Konzentration | Verwendbarkeit | Keine nachteiligen Effekte auf die bauliche Substanz (z.B. Gebäude-und Tränketechnik) sowie bei Nutzung2) des Wassers zur Zubereitung des Futters |
1) implizieren allgemein auch eine entsprechende sensorische Qualität (z. B. Trübung, Fremdgeruch) 2) z. B. auch bei Applikation von Arzneimitteln, bestimmten Futtermittelzusatzstoffen etc. Nach Tabelle 1 soll ein geeignetes Wasser nicht nur schmackhaft und verträglich sein, sondern es hat auch Anforderungen zu erfüllen, die sich aus der Verwendung in der Tierhaltung ergeben und die eine sichere Versorgung der Tiere nicht gefährden (z. B. Verstopfungsgefahr im Tränksystem durch hohe Ca-oder Fe-Gehalte). 3.1. Biologische Qualität des Tränkwassers In der Literatur gibt es unterschiedliche Empfehlungen für Parameter bezüglich der biologischen Qualität von Tränkwasser. In das System eingespeistes Wasser sollten frei sein von Salmonella und Campylobacter (in 100 ml) sowie möglichst weitgehend frei von E. coli (in 10 ml); die aerobe Gesamtkeimzahl sollte 1.000 KBE/ml bei 37°C und 10.000 KBE/ml bei 20°C nicht überschreiten. Werden wiederholt Keime in dieser Dichte nachgewiesen, so ist von einer höheren Belastung des Systems oder des eingespeisten Wassers auszugehen. Wenn diese Parameter nicht eingehalten werden, sollte der Tierhalter die Ursachen (z.B. Stallstaub, Futterreste, Ausscheidungen der Tiere oder Eindringen von Abwasser) ermitteln und geeignete bauliche, technische oder auch organisatorische Maßnahmen treffen, um die biologische Tränkwasserqualität auf einen entsprechenden Standard zu bringen. 3.2. Chemische und physiko-chemische Tränkwasserqualität Zur Bewertung der chemischen und physiko-chemischen Tränkwasserqualität können verschiedene Parameter herangezogen werden, wie der pH-Wert, die Leitfähigkeit, der Salzgehalt sowie die Konzentration an anorganischen und organischen Inhaltsstoffen. In Tabelle 2 werden unter Berücksichtigung von Lebens-und Futtermittelsicherheit sowie der Angaben anderer Autoren Empfehlungen für Orientierungswerte zur Bewertung der physikochemischen und chemischen Tränkwasserqualität gegeben. Bei der Ableitung dieser Orientierungswerte wurde u.a. davon ausgegangen, dass weniger als 10 % der für die einzelnen Substanzen in der EU für die Fütterung zugelassenen Höchstmengen aus dem Tränkwasser stammen sollten (≈ 3 l Wasseraufnahme je kg Futtertrockensubstanz). Falls die bei diesem Ansatz resultierenden Werte geringer waren als der Grenzwert für Trinkwasser, wurde der Trinkwasserwert unterstellt (Tab. 2). Durch ergänzende Bemerkungen und Fußnoten werden Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Orientierungswerten gegeben. Orientierungswerte für weitere Elemente sind nach gegenwärtig vorliegenden Daten nicht relevant. 4. Allgemeine Hinweise zur Probenahme von Tränkwasser Vor der Probenahme sollte Klarheit darüber bestehen, zu welchem Zweck die Probe entnommen wird. Danach richten sich der Probenahmeort und die Untersuchungsparameter. Die Entnahmestelle ist nach dem Untersuchungsziel auszuwählen. Routineproben sollten möglichst am Einspeisungsort entnommen werden. Bei der Überprüfung von Auffälligkeiten oder zum Zweck der Aufklärung von Tiererkrankungen sollte auch eine Probe an der Tränke entnommen werden. Einzelheiten zur Probenahme sollten mit dem Untersuchungslabor abgestimmt werden. 5. Empfehlungen Die Bereitstellung ausreichender Mengen des Futtermittels Wasser in geeigneter Qualität ist eine entscheidende Voraussetzung für die Gesundheit und Leistung Lebensmittel liefernder Tiere sowie für die Vermeidung eines etwaigen Transfers von Organismen und/oder Stoffen in die Lebensmittelkette. Folgende Empfehlungen werden gegeben: -Tränkwasser sollte für die Tiere ständig verfügbar sein. -Der Wasserbedarf je kg Trockensubstanzaufnahme variiert bei den verschiedenen Tierarten und -kategorien in Abhängigkeit von unterschiedlichen Einflussfaktoren (z.B. Temperatur) zwischen 2 und 5 l. -Nach Anhang III der Futtermittelhygiene-Verordnung muss Tränkwasser so beschaffen sein, dass es für die betreffenden Tiere „geeignet" ist. Kriterien für die Eignung des Tränkwassers sind Schmackhaftigkeit, Verträglichkeit und Verwendbarkeit (anorganische und organische Inhaltsstoffe und Kontaminanten). -Die Eignung des Tränkwassers sollte vorrangig auf der Ebene des eingespeisten bzw. im System befindlichen Wassers überprüft werden, insbesondere im Hinblick auf Keimgehalte und chemische Qualität. -Tränkwasser sollte auch noch zum Zeitpunkt der eigentlichen Aufnahme durch die Tiere eine geeignete Qualität aufweisen, dies ist ggf. durch entsprechende Konstruktion, Anbringung, regelmäßige Reinigung und Wartung der Tränkeeinrichtungen zu sichern. -Bei der Versorgung von Lebensmittel liefernden Tieren mit Tränkwasser, das nicht aus dem öffentlichen Netz stammt, wird eine regelmäßige Überprüfung der Tränkwasserqualität angeraten. Erste Hinweise zum Gewässerzustand der Region können bei Einrichtungen wie Umweltbehörden, Gesundheitsämter, Länderarbeitsgemeinschaften (z.B. Gewässergütekarte) erfragt werden. -Bei der Untersuchung und Beurteilung der Tränkwassersqualität sind ggf. weitere rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten, z. B. Zoonose-Richtlinie bei Nachweis bestimmter Erreger oder die futtermittelrechtlichen Vorschriften über unerwünschte Stoffe (z. B. Anlage 5 der Futtermittelverordnung). -Erfolgt eine Tränkwasserbehandlung mit einem physikalischen Verfahren oder einem Zusatz von Organismen oder Stoffen, so sind nur zugelassene Verfahren oder Produkte zu verwenden (für Trinkwasser zugelassene Stoffe oder als Futtermittel-Zusatzstoffe oder Biozide zugelassene Stoffe). Die jeweiligen Anwendungsbedingungen und Verwendungsbeschränkungen sind zu beachten. nach oben zurück |